Freiwillige Selbstverpflichtung statt
Deutschquote
(aus einem Antrag von Grietje
Bettin, MdB, und Thomas Peick, Mitglied des Medienrates
der ULR, an die LAG Medien und Kultur der Grünen Schleswig-Holstein)
1. Bündnis 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein
lehnen eine Quote für Musik aus Deutschland ab. Sie ist
nicht das geeignete Mittel, um deutsche KünstlerInnen zu
fördern und damit die kulturelle Vielfalt zu stärken.
2. Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Schleswig-Holstein treten dafür ein, die Programmauswahl
zukünftig stärker am Informations- und Kulturauftrag, denn
am musikalischen Mainstream auszurichten.
3. Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Schleswig-Holstein fordern die Sender auf, verstärkt den
musikalischen Nachwuchs fördern.
4. Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Schleswig-Holstein schlagen vor, durch eine freiwillige
Selbstverpflichtung der privaten und öffentlich-rechtlichen
Sender den Anteil an NachwuchskünstlerInnen aus Deutschland
in den Medien zu erhöhen.
5. Diese Selbstverpflichtung
sollte nach etwa 3 Jahren auf ihre Wirkung hin evaluiert
werden.
Begründung:
Die intensiv und zum Teil
sehr leidenschaftlich geführte Debatte um die Einführung
einer Deutschquote macht deutlich, dass viele Hörerinnen
und Hörer und auch eine große Zahl von Fernsehzuschauenden
mit der Programmgestaltung insbesondere der Öffentlich-Rechtlichen
unzufrieden sind. Besonders die Öffentlich-Rechtlichen kommen
anscheinend den Ansprüchen der Zuschauenden und Hörenden
immer weniger nach.
Die Debatte hat weiterhin
verdeutlicht, dass die Verfahren zur Ermittlung der Hör-
und Sehwünsche in höchstem Maße fragwürdig sind. Es ist
nämlich keineswegs sichergestellt, dass alle nur Unterhaltung
wollen und fast niemand mehr an Informations- und Kulturprogrammen
teilhaben will.
Wir treten deshalb dafür
ein, die Programmauswahl stärker am Informations- und Kulturauftrag
auszurichten.
Außerdem sollten die Sender
verstärkt den Nachwuchs fördern.
Auch ohne Quote ist „deutsche“ Musik gut vertreten
Was wir allerdings nicht
brauchen, ist eine Quote für deutsche (Rock- und Pop-) Musik
in Radio und Fernsehen. Diese unselige, weil in Zügen auch
nationalistische Debatte ist schon 1996, damals unter anderen
von dem Musiker Heinz-Rudolf Kunze, ins Spiel gebracht worden.
Eine „Über Siebenbürgen musst du gehn“-Quote ist aber nicht
die adäquate Antwort auf das Phänomen, dass insbesondere
junge Menschen vielen Teilen der deutschsprachigen Musik
den Rücken zugekehrt haben. Für diese ist deutsche Musik
vielleicht eher altbacken und von „gestern“, nicht modern
und hip. Eher also ein musikalischer Generationenkonflikt,
denn ein wirklich grundsätzliches Problem. Auch kurzfristige
Renaissancen wie der Schlager-Hype um Dieter-Thomas Kuhn
und Guildo Horn ändern nichts an dieser Tatsache: Deren
Musik ist meistens die der Eltern- und Großelterngeneration.
So wenig man einem überzeugten Techno-Freak bei Mozarts
Zauberflöte Wohlgefühle entlocken kann, so wenig lässt sich
halt nur selten ein Rock-Fan oder eine Robbie Williams-Verehrerin
für ein musikalisches Bett im Kornfeld begeistern. Ein bisschen
Spaß muss sein – aber eben auch nicht immer, und schon gar
nicht in der heimischen Musikanlage!
Bei allem darf nämlich
nicht vergessen werden:
Auch ohne diese Quote liegt der Chartanteil an deutschen
Repertoires seit Jahren bei knapp 50 %.
Auch ohne diese Quote erfreuen
sich Musiksender wie VIVA, die verstärkt auf inländische
Musik setzen, großer Beliebtheit bei den Zuschauern. Einige
wenige Radiostationen mit dem Schwerpunkt auf aktuelle und
regionale Produktionen und junge und innovative Künstler
machen es bereits vor: Musik aus Deutschland, ob deutsch,
türkisch, englisch oder französisch ist angesagt und wird
gerne gehört.
Auch ohne diese Quote sind
deutsche MusikerInnen wie Sarah Connor, Wir sind Helden,
die Scorpions oder Guano Apes nicht nur national, sondern
zum Teil seit Jahren auch international sehr erfolgreich.
Musik ist international
Wer diese Quote fordert,
vergisst zudem, dass Rock und Pop schon immer ein internationales
Phänomen gewesen sind und dass auch die deutsche Popmusik
zum Beispiel als Aneignung und Verwandlung anglo-amerikanischer
Stile entstanden ist. Und er vergisst, dass Musik von Kreativität
lebt, und Kreativität von Austausch. Dieser Austausch findet
international statt, und ist nicht national beschränkt!
Zudem ist Deutschland seit
über zehn Jahren Ausgangspunkt einer Techno- und Diskokultur
– u.a. mit der Loveparade in Berlin -, die sich weit über
die Grenzen verbreitet und Deutschland zu einem wichtigen
Repertoire-Lieferanten für den Weltmarkt gemacht hat.
Wir schlagen deshalb vor,
durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Sender den
Anteil an NachwuchskünstlerInnen aus Deutschland in den
Medien zu erhöhen. Bestandteil einer solchen Verpflichtung
sollte auch eine transparente öffentliche Evaluierung sein.
Nicht zuletzt könnte dadurch auch die Zustimmung zu gebührenfinanzierten
Medien in der Öffentlichkeit vergrößert werden.
Schlussbemerkung:
Die Debatte um eine Quote
für deutsche Musik wirft auch die Frage auf, ob sich der
Staat in die Musikkultur einmischen und sie ggf. fördern
sollte. Wir meinen: Grundsätzlich nein!
Die Musikkultur war und
ist in vielen Bereichen immer noch eine Subkultur, und das
muss sie auch bleiben. Sie ist nicht nur populistisch und
kommerziell ausgelegt, in ihr spiegelt sich auch gesellschaftliche
Opposition. Auch deswegen erreicht sie viele Menschen direkt
und unverfälscht.
Und: Erfolg im Popbusiness
ist oft unabhängig von einer messbaren musikalischen Qualität.
Daher kann es unseres Erachtens keine Kriterien für „förderungswürdige“
Rock- und Popmusik geben.
Sehr wohl hat der Staat
allerdings die Aufgabe, günstige Rahmenbedingungen für Musiker
zu schaffen. In diesem Bereich hat die rot-grüne Bundesregierung
eine positive Bilanz aufzuweisen: KSK, Urheberrecht, die
Reform der Besteuerung ausländischer Künstler. Dies sind
Punkte, die die Produktionsbedingungen von Rock- und Popmusikern,
aber auch von den Veranstaltern in Deutschland verbessert
haben und weiter verbessern könnten.